Erschütterte ein Jahr die gesamte Welt?

Nicolai Hannig, Detlev Mares (Hg.): Krise! Wie 1923 die Welt erschütterte. wbg Academic 2022, ISBN 978-3-534-27530-4, auch E-Book, 240 S., 40 Euro.Hatten nicht die Teufel selbst dieses Jahr zusammengebraut? Anno 23 ballte sich alles zusammen, was ungelöst und belastend war: Wenigstens ist es schon hundert Jahre vorbei, dieses Krisenjahr 1923. Eine Karikatur vom 27.12.1922 im „Simplicissimus“ zum „Höllischen Neujahr“ zeigt genau diese Befürchtung: Drei Teufel brauen einen Kessel dieses Jahres zusammen, einer presst noch eine Kröte darüber aus. Dabei konnte bei Erscheinen der Karikatur noch niemand wissen, dass nur wenige Wochen später der „Ruhrkampf“ beginnen sollte: Dies „stürzte die Weimarer Republik in die Hyperinflation, sorgte für mehr als 100 Todesopfer sowie Hunderte von Verletzten und Vergewaltigten, führte zu Hungerprotesten und motivierte Kommunisten, Separatisten und Rechtsextreme zu Aufständen.“ =>

Ostern – religionsübergreifend und weltumspannend

Susanne Borée, Porträt, boree.de, Evangelisches Sonntagsblatt aus BayernOstern wird wieder schwierig! Jedenfalls höchstwahrscheinlich das orthodoxe Osterfest. Wie Weihnachten steht zu befürchten, dass auch diesmal ein Kampf über die Deutungshoheit des Festes ansteht. Noch immer tobt der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Und damit die Frage, ob der russisch-orthodoxen Kirche weiterhin die Oberhoheit über Glaubensfragen dort zukommt? Gut, dass es nicht ‚unser‘ Osterfest berührt – die orthodoxe Feier findet erst am 16. April statt. Nur alle paar Jahre treffen sich die Osterfeste der westlichen und östlichen Kirchen. Denn als Grundlage für die Berechnung des orthodoxen Termins dient der alte julianische Kirchenkalender aus der Zeit der alten Römer zu Zeiten Julius Caesars. … =>

Wanderungen im Glockenschlag der Zeiten

Migrationsausstellung der Evangelischen Museen, Thomas Greif in RummelsbergDie Glocke aus Breslau zeigt, was die Stunde geschlagen hat: Museumsleiter Thomas Greif im Rummelsberger Diakoniemuseum versetzt sie in Schwingungen, denn sie bildet dort einen Mittelpunkt der Ausstellung „Evangelische Migrationsgeschichte(n)“. Nach dem Beginn der dortigen Schau ziehen jetzt Protestantische Museen europaweit mit ihren jeweiligen Perspektiven nach. Seit Jahrhunderten stellten Menschen ihre Religion über ihre Heimat. In den Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg gewannen Nationale Gründe die Oberhand. Doch die Diakonissen trugen ihre Glocke nicht selbst bis nach Unterfranken, gibt Greif zu. Sie ist nämlich derart schwer, dass sie sich kaum von einer Person anheben lässt. … =>

Irrwege statt Verkehrswende. Eine Glosse

Susanne Borée, Porträt, boree.de, Evangelisches Sonntagsblatt aus BayernSie machen die Straßen bunter und erscheinen geradezu als Osterüberraschung – wenn sie jetzt im Frühling vielerorts in frischen Farben erstrahlen: Die nett aufgemalten Fahrräder auf manchen Asphaltstreifen. Offiziell heißen sie ein wenig farbloser „Piktogramme ohne Schutzstreifen“. Sie zeigen an, wo sich Fahrräder in freier Wildbahn bewegen könnten.  Ein konsequentes Konzept für eine Verkehrswende lässt auf sich warten. Das Volksbegehren für eine bessere Fahrrad-Infrastruktur im Freistaat legt das bayerische Innenministerium erst einmal dem Verfassungsgericht des Landes zur Prüfung vor, obwohl im November 2022 mehr als genug Unterschriften dafür erreicht wurden. Der Aus- und Umbau würde zu teuer – und damit den Staatshaushalt mehr betreffen als erlaubt. Und dies gehe über die Landesgesetzgebung hinaus. … =>

Lustvolle Buße?

Gian Giacomo Caprotti (Da-Vinci-Schüler 1480–1524): Johannes der Täufers. Foto: Borée

Die Büßerin und der Asket: Johannes der Täufer und Maria von Magdala beschäftigten in besonderer Weise die christlichen Vorstellungswelten: Nahmen sie es besonders streng mit dem Weg der Nachfolge? Und können sie uns in der Passionszeit zum Vorbild werden? Ein besonders bewegendes Bild von Johannes findet sich am Ende der Ausstellung „Verdammte Lust! Kirche. Körper. Kunst.“ im Freisinger Diözesanmuseum (rechts). Sie beschäftigt sich, ausdrücklich unter der Schirmherrschaft von Kardinal Reinhard Marx, mit aufreizenden Darstellungen auch von Heiligen in Kunstwerken bis um das Jahr 1800. Johannes etwa erscheint jugendlich, nicht verhärmt, sondern fast androgyn, verführerisch anstatt asketisch streng. War dies eine Grenzüberschreitung, ihn entgegen allen Konventionen so erotisch dazustellen? … =>

„Hoffen und Machen“ verbinden

Kirchentagspräsident Thomas de Maizière und Generalsekretärin Kristin Jahn stellten in Nürnberg das Kirchentagsprogramm vor. Foto: BoréeDie Liste der Prominenten, die beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg im Juni Bibelarbeiten halten, ist auch diesmal lang. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz Georg Bätzing, der Autor Eckart von Hirschhausen oder Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sind nur einige Namen, die Kirchentagspräsident Thomas de Maizière und Generalsekretärin Kristin Jahn bei der Vorstellung des Kirchentagsprogramms nannten. 2.000 Veranstaltungen in ganz Nürnberg und Fürth sowie in der Nürnberger Messe stehen auf dem Programm des 38. Deutschen Evangelischen Kirchentags. Er steht unter dem Motto „Jetzt ist die Zeit“. In den fünf Tagen vom 7. bis 11. Juni werden 100.000 Menschen erwartet. Erstmals wird es kein dickes gedrucktes Kirchentagsprogramm mehr geben … =>

Wie Lebensverhältnisse verändern?

Peter Dabrock kurz vor der Podiumsdiskussion zum Assistierten Suizid in Fürth. Foto: Borée„Ich will so nicht mehr leben!“ Ist das nicht in den allermeisten Fällen eine angemessene Übersetzung, wenn Menschen an ihrem Lebensende um Assistierten Suizid bitten? Das war zunächst der allgemein Grundtenor in der Podiumsdiskussion „Selbstbestimmt sterben“ in Fürth. Viele alte Menschen, die ihren Lebensüberdruss ausdrücken, wollen Schmerzen oder die Einsamkeit vermeiden. Sie fühlen sich kaum noch von außen unterstützt oder haben Angst vor der Aufgabe ihrer Autonomie vor einem Umzug in ein Pflegeheim. Es kann sein, dass der Hund gestorben ist, der die Einsamkeit eines alten Herrn durchbrach und dem Alltag durchs Gassigehen Struktur gab. Dieses Beispiel brachte Hausarzt und Palliativmediziner Richard Sohn aus seiner Praxis mit. =>

„Spontan heißt nicht unwichtig“

Spontan-Hochzeit in der Schlosskirche in Neuburg an der Donau mit Vikarin Elisabeth Görnitz. Foto: epd/MSogar ein Paar aus Kassel suchte den Kontakt mit der Rothenburger St. Jakobsgemeinde. Das berichtet Pfarrerin Claudie Schlottke. Gerade trifft sie zusammen mit Pfarrer Oliver Gussmann, mit Pfarrerin Heidi Wolfsgruber aus Uffenheim und Dekanatsjugendpfarrer Johannes Raithel aus Adelshofen-Tauberzell die letzten Vorbereitungen für das Projekt „einfach heiraten“. Die St. Jakobskirche in der Tauberstadt ist dabei eine von einem guten Dutzend Gemeinden, in denen am 23. März die Aktion stattfinden wird. Das Paar aus Kassel fand die Infos über die Aktion online: Sie hätten während der Corona-Zeit standesamtlich geheiratet und die kirchliche Hochzeit immer wieder verschoben, so Schlottke. Dann kam schon ein Kind – und die Taufe fand vor der kirchlichen Trauung statt. Diese wollen sie nun nachholen. … =>

Hunger als Kriegswaffe

Hungerndes Kind in der äthiopischen Provinz Tigray. Foto: paElf Jahre, acht Kilo: Hilflos blickt der Arzt auf ein sterbendes Kind in einem Provinzkrankenhaus im Norden Äthiopiens. Es gibt keine Medikamente mehr und keine therapeutische Nahrung, um es zu retten. Sie können es nur noch palliativ versorgen, also beim Sterben begleiten. Der Hunger ist zurückgekehrt nach Äthiopien. Gerade in die nördliche Provinz Tigray: Die Zentralregierung blockiert seit Juni 2021 Hilfslieferungen dorthin. Im Schatten des Ukraine-Krieges herrscht dort noch immer ein besonders brutaler Bürgerkrieg seit Ende 2020. Hunderttausende Menschen hungern seit dem. Einem Arte-Fernsehteam um Charles Emptaz und Olivier Jobard gelang vor einigen Monaten eine Reportage von dort. Er geht an die Substanz, da er schonungslos die hilflose Not zeigt. … =>

Tiefe Gräben überwinden

Orthodoxer Priester in Äthiopien. Foto: pa (Detail)Ende Mai 1534 bekamen Martin Luther und Philipp Melanchthon in Wittenberg einen Besuch aus weiter Ferne: Der Mönch und Diakon Abba (Vater) Mika’el weilte mehrere Wochen in der Geburtsstadt der Reformation. Er diskutierte offenbar mit den Reformatoren über die theologischen Fragen. Das beschreibt Stanislau Paulau in der Reminiszere-Broschüre der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Es handelt sich bei diesem Dialog um keine folgenlose theologiegeschichtliche Kuriosität“, so Paulau in der EKD-Broschüre. „Vielmehr belegen Predigten und Tischreden Luthers, dass für ihn die Vorstellung von der Verbundenheit im Glauben mit den Christen Äthiopiens auch in den darauffolgenden Jahren theologisch wichtig war.“ … =>