Ein Rebell als Prophet?

Aufführung zu Erich Mühsam im RothenburgMuseum. Foto: BoreeWar er nicht ein unchristlicher Revoluzzer, der an den gesellschaftlichen Grundfesten rüttelte? Wie kommt es nur, dass ausgerechnet an einem lauen Sommerabend im beschaulichen Klostergarten des RothenburgMuseums Werke von Erich Mühsam (1878–1934) zu Wort kamen? Jude, Anarchist, Pazifist und Mitglied der Münchner Räterepublik – alle diese Zuschreibungen für den Dichter und Rebellen waren sicher keine Empfehlungen für die Nazis. Anfang 1933 wurde er verhaftet und vor 90 Jahren, am 10. Juli 1934, im Konzentrationslager Oranienburg ermordet. Eine nachdenkenswerte Auswahl aus seinem Werk stellten der Schauspieler und Sänger Matthias Klösel sowie der Pianist Tom Gratza vor. Sie machten in ihrem schwungsvollen Zusammenspiel anschaulich, dass viele seiner Werke in der Tradition Heinrich Heines stehen, der scheinbar leichthin spöttelte, aber oft tiefere Wahrheiten aussprach. =>

Wege zu heilsamen Begegnungen

Alpaka - auch bei der Hospizarbeit eingesetztSphärische Klänge erfüllten den Theatersaal. Fast ließ sich vergessen, dass er mit mehr als 150 Menschen gut gefüllt war! Beinahe wie die meditativen Töne einer sanft gespielten Konzertgitarre erklang es – hm, vielleicht etwas metallischer. Ein Glockenspiel? Nein, „Handpan“ heißt das Instrument: Gleich einer riesigen Muschel aus Metall entlockte ihr Alwin Steinle mit streichelnden Händen die melodischen Töne. Neben ihm sang Susanne Sonnleitner. Regelmäßig begleiten beide Musiker auch Trauerfeiern. Und sie umrahmten den 21. Mittelfränkischen Hospiztag, der sich Mitte Juni  im Rothenburger Wildbad traf. Dort fanden Engagierte aus gut 15 Hospizgruppen der ganzen Region zusammen. Der Rothenburger Hospizverein mit rund 60 Aktiven um Petra Underbrink hatte für sie vielfältige Impulse vorbereitet. Wie können etwa Alpakas im Hospiz helfen? =>

Der Herzog und der Heilige

Monumentalkreuz um 774 für den Salzburger Dom. Foto: BoréeDie Kirche war verdorben, die politische Gewalt feige und unzuverlässig. So lassen sich die Berichte über Bayern vor 1.300 Jahren und den Jahrzehnten danach zusammenfassen. In die Welt des turbulenten und krisenhaften 8. Jahrhunderts entführt uns die aktuelle bayerische Landesausstellung, die nun bis zum 3. November im Freisinger Diözesanmuseum stattfindet. Eine „Meistererzählung“ schuf um 791 ein heute unbekannter Verfasser der „Annales Regni Francorum“. Schließlich war zu begründen, warum Karl der Große kurz zuvor an seiner Ostgrenze einmal dringend durchgreifen musste. Die „Annales“ waren höchst erfolgreich: Mehr als ein Dutzend Handschriften haben sich bis heute erhalten – was für eine fast unvorstellbare Verbreitung des Werkes damals spricht. =>

Prophetische Bilder vom Blick ins Dunkel

Kafka-Denkmal in Prag von 2008. Foto: epd/F„Es war kein Traum. Sein Zimmer, ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen den vier wohlbekannten Wänden.“ Der Handlungsreisende Gregor Samsa ist über Nacht zu einem „ungeheuren Ungeziefer“ geworden. Diese Erzählung „Die Verwandlung“ trug 1912 wesentlich zur Bekanntheit Franz Kafkas bei. Wie soll Gregor in seiner neuen Gestalt seinem Beruf nachgehen? Das scheint zunächst das Hauptproblem für seine Eltern und die Schwester zu sein, der er ein Musikstudium ermöglichen wollte. Nun muss ihn die Schwester versorgen, ekelt sich aber zunehmend vor ihm. Er kann sie verstehen, sich ihr aber nicht mehr verständlich machen. Trotz dieses Ungleichgewichts findet sich Gregor in seine neuen Verhaltensweisen als Krabbeltier hinein. Doch wer sind die wahren Ungeheuer? =>

Wie gehört die Dreieinigkeit zusammen?

Thun am See: Dreiheit der Fenster in der Kirche von Scherzlingen. Foto: KrausLeidenschaftlich wurde der Disput geführt – schon vor 1.700 Jahren. Und er beschäftigt uns noch heute: Bereits Kaiser Konstantin äußerte in einem Brief aus dem Jahr 324 sein Unverständnis gegenüber einem „geringfügigen“ Streit zwischen Christen in Nordafrika. Worum ging es? Kaum war die neue Religion im Römischen Reich anerkannt, stritten sich führende Denker und Theologen vehement um das Wesen der Person Jesu Christi und um die Trinität. Das klingt auch für unsere heutigen Ohren einigermaßen abstrakt. Doch den Christen damals war es mehr als wichtig: „Ich und der Vater sind eins.“ So überliefert Johannes (10,30) die Selbstvorstellung Jesu. Wie ließ sich damit umgehen? =>

Leidender – Liebender – Leitstern

Gotische Plastik, um 1300. Sog. “Roettgen-Pieta”. Holz. Bonn, Rheinisches Landesmuseum.Hat das Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ nicht schreckliche Inhalte? Es beschreibt besonders drastisch das qualvolle Sterben Jesu am Kreuz. Als ob es nicht schon genug in dieser Welt gäbe! Jesu Leiden soll dann noch „ich selber“ verschuldet haben! Was aber hat uns dieses Lied heute noch zu sagen? Eine Spurensuche zum 500. Gesangbuch-Jubiläum: Reimt sich „Freuden“ auf „Leiden“? Diese Zusammenstellung wirkt durchaus gewagt – nicht nur mit Blick auf die unterschiedlichen Doppelvokale. Es klingt auch innerlich völlig überdreht. =>

Fromme Frauen in Abwehr des Missbrauchs

Die heilige Formaïda von Alexandrien (Mittelbild, umrankt von 16 Szenen aus ihrem Leben und Sterben), russische Ikonen aus dem 18. Jahrhundert. Foto: BoréeWenn das kein klassischer Missbrauchsfall war! Der eigene Schwiegervater stellte Formaïda nach! Dabei tötete er die 15-Jährige mit dem Schwert – so die Legende. Dass sie in diesem Alter verheiratet war, erscheint normal – wirklich freiwillig? Doch nach ihrem Tod gelang ihr eine erstaunliche Karriere: Sie wurde schnell zur Heiligen. Und das, obwohl ihr Tod nicht im engeren Sinne aus dem Bekenntnis zu Christus begründet ist. Ihr Los trug sich gerade zum Ende des Römischen Reiches zu – um das Jahr 476 in Alexandria, als es schon christianisiert war. =>

Knotenpunkt künstlerischen Schaffens

Hans Holbein d. J.: Solothurner Madonna 1522, Details. Fotos: © David Aebi, Bern.Luther rühmte ihren Reichtum noch in den Tischreden: Augsburg war zur Zeit der Reformation eine der führenden Reichsstädte. Bereits im Oktober 1518 hatte er sie kennengelernt. Damals disputierte Luther dort drei Tage lang direkt im Anschluss an einen Reichstag mit Kardinal Cajetan in den Fuggerhäusern am Weinmarkt. Gleichzeitig war Augsburg nicht nur die Stadt des Geldes, sondern auch des Geistes und Heimat bedeutender Künstler – etwa Hans Holbein der Ältere (um 1465–1524) und Hans Burgkmair der Ältere (1473–1531). =>

Zerfall aller Wahrheiten?

Richard David Precht Ende 2023. Foto: paNein, einen Gefallen hat er sich sicherlich nicht getan – durch seine unsäglichen Thesen in Talkshows oder Podcasts war Richard David Precht öfter durch flache oder – besser – sehr steile Sätze aufgefallen, die bedenkliche Klischees verfestigten. Wollte er als ohnehin einer der bekanntesten Philosophie-Dozenten in Deutschland damit für seinen neuen Band der Philosophiegeschichte „Mache die Welt“ mehr Aufmerksamkeit erreichen? Dann ist sein Vorhaben gründlich schief gegangen: Menschen, die ihn vielleicht durch seine Auftritte erst wahrgenommen haben, werden eher nicht zu diesem Werk greifen. Andere sind abgeschreckt. Mir selbst ist mit diesem Buch im Urlaub viel Unverständnis begegnet nach dem Motto: „Von ihm liest du noch etwas?“ =>

Sesshaftes Leben als Schritt in die Zukunft?

Diese durchbohrten Zähne trugen Bandkeramiker bei Schweinfurt wohl als Schmuck. Foto: BoréeSie fühlten sich in Franken wohl. Und das schon vor rund 7.500 Jahren: Die Linearbandkeramiker siedelten damals schon am Main rund um Würzburg. Die fruchtbaren Lössböden und das milde Klima sagten ihnen besonders zu. Sie waren die allerersten Menschen mit festem Wohnsitz in unserer Region. Schon damals betrieben sie Ackerbau und Viehzucht. Daneben konnten sie Stoffe auf ersten Webstühlen fertigen und besaßen erste Töpferwaren mit den linearen Ritzverzierungen und Bändermustern, nach denen sie benannt sind. Sie besaßen praktisch schon das volle Programm späterer landwirtschaftlicher Kulturen. Nur Metallwerkzeuge fehlten – schließlich bewegen wir uns noch in der Jungsteinzeit. =>