Vom Aufruhr zur Einkehr

Werk von Valentin Ickelsamer.„Je näher an Wittenberg, desto schlimmer die Christen.“ Mit diesen beißenden Worten begann Valentin Ickelsamer seine Abrechnung mit der Reformation. Was Luther und seine Mitstreiter einst Rom vorgeworfen hätten, gelte längst auch für sie selbst, schrieb er 1525 in seiner Flugschrift „Clag etlicher brüder“. Während Luther, in seiner Stube Bier trinke, so Ickelsamer, hungerten draußen die Armen. Seine Worte waren Sprengstoff – und sie trafen mitten in eine Zeit, in der Glauben, Macht und Aufruhr ein explosives Gemisch bildeten. Im März 1525, als die „Clag“ erschien, stand auch Ickelsamers Heimat Rothenburg ob der Tauber am Rand des Abgrunds. Überall gärte der Zorn der Bauern, die gegen Unterdrückung und kirchliche Bevormundung aufbegehrten. =>

Pfade der Vergänglichkeit neu erforschen

Anna Hielscher in ihrem Atelier. Foto: BoréeIhre Kunst erblüht in den Farben des Herbstes – Brauntöne überwiegen. Schließlich gehören getrocknete Blätter zu den wichtigsten Elementen, aus denen Anna Hielscher schöpft – daneben aber auch welke Blüten oder Nussschalen. Wichtig ist der Nürnberger Künstlerin jedoch: Nichts darf den Bäumen oder Blumen gewaltsam entrissen werden. Also heißt es abzuwarten, bis die Natur ihre Schätze selbst schenkt. Gerade in diesen Wochen wird Hielscher reich bedacht: Dann sammelt, presst und konserviert sie diese Kostbarkeiten, die zu ihren – und unseren – Füßen liegen, aber oft unterwegs übersehen werden.  Sie schafft aus ihnen kleine Schmuckstücke … =>

Was können wir uns noch leisten?

Chefredakteurin Susanne Borée, Februar 2024Es ist der große Verlierer – ganz hinten am Ende des Alphabets: Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Nach dem aktuellen Beschluss des Bundestages erhält es im Bundeshaushalt 2025 (der endlich verabschiedet wurde) rund 910 Millionen Euro und 2026 noch einmal gut 360 Millionen Euro weniger: Dann erhält es knapp zehn Milliarden: Der Etat ist im Vergleich zu 2024 um gut elf Prozent gesunken.  Das klingt immer noch nach schwindelerregenden Summen. Doch das Verteidigungsministerium erhält 2026 einen Etat von mehr als 80 Milliarden Euro, mit Zuwächsen von über 30 Prozent – das Sondervermögen kommt noch hinzu. Warum alle diese trockenen Zahlen anstatt einer fröhlichen Geschichte zum lockeren Auftakt? =>

Mit Geduld und Mut zum Erntesegen

Familie Stiegler führ den Betrieb FrankenGenussUm die Nuss zu knacken, braucht es einen langen Atem – und gleichzeitig Wagemut. „Sieben bis neun Jahre“, so Martin Stiegler, müssen die Haselnussbäume erst einmal ausreichend wachsen, bevor die allererste Ernte ansteht. So lange musste er sich auf seinem Hof in Gonnersdorf bei Cadolzburg gedulden. Erst dann konnte er erleben, ob seine Idee überhaupt ausreichend Früchte trug. Der junge Landwirt konnte sich nur auf eins verlassen: auf den Rückhalt in seiner Familie, deren Bauernhof er nun weiterführt. … =>

Kirche als Kraftquelle – gerade für Junge

Partnerschaftsbesuch aus TansaniaEine Waschanlage für den Glauben? Genauer: für die kirchliche Jugendarbeit im Dekanat Hai der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT). Sie wurde dort von Jugendlichen errichtet, wie Lightness W. Kimaro mit aktuellen Fotos zeigte. Mit weiteren fünf jüngeren Menschen aus dem Dekanat Hai und dem Berufsschulzentrum (Hai Vocational Training Centre – HVTC) kam sie nun ins Dekanat Rothenburg. Dabei lief ihr Besuch zunächst arg holprig an … =>

Ungläubiger Thomas?

Thomas Mann mit Tochter Erika (Ausschnitt). Foto: akgEs ist die Karikatur eines Weihnachtsfestes: In seinem Erstlingswerk „Buddenbrooks“ inszeniert Thomas Mann (1875–1955) um die Jahrhundertwende den Heiligen Abend als sorgfältig arrangiertes und detailreiches Schauspiel bürgerlicher Repräsentation sowie familiärer Ordnung. Doch gleichzeitig offenbart seine Darstellung, wie weit diese Rituale vom Stall und Stern von Bethlehem entfernt sind. Der Kult bleibt erhalten, doch seines lebendigen Kerns beraubt.  Eine umfassende Betrachtung von Thomas Manns Verhältnis zur Religion bietet Karl-Josef Kuschel, in seinem Werk „Weltgewissen“, das zum 150. Geburtstag des Nobelpreisträgers erschien. Er zeigt, dass der Schriftsteller weit über die Kritik in den Buddenbrooks hinausging. =>

Der Große Schutzengel am Firmament

Chefredakteurin Susanne Borée, Februar 2024Leider war es in vielen Nächten dieses Altweibersommers allzu oft von dicken Regenwolken verborgen – mein neues persönliches Sternbild: der Große Schutzengel. Es begleitet mich seit dem Poetenfest in Erlangen, an dem ich erfahren habe, wie willkürlich die Bilder sind, die wir in den Sternen sehen. Eigentlich war ich dort Ende August zu Lesungen von Autoren, die für den Deutschen Buchpreis nominiert sind und die bald sicher mehr von sich hören lassen. Auch Gespräche und Diskussionen zu komplexen gesellschaftlichen Themen gab es, die etwa die ganze Problematik des Nahen Osten klären konnten. Nachdem dies jedoch real schwieriger scheint denn je, ich aber in meinem Urlaub oft zu den Sternen aufschaute, nun also zurück zu ihnen.=>

Gewalt als Basis des Glaubens?

Kaufhold: Die abendländische Christenheit im Mittelalter (Ausschnitt des Buchcovers)„Tötet sie alle, der Herr wird die Seinen erkennen.“ So soll der päpstliche Legat Arnaud Amaury 1209 den Befehl zum Massaker in Béziers gegeben haben. Der Glaube legitimierte die Gewalt – und umgekehrt. Der Augsburger Historiker Martin Kaufhold schlägt auf 400 Seiten Text in anschaulicher und leicht nachvollziehbarer Sprache Schneisen ins Dickicht mittelalterlicher Glaubens­geschichte. Er zeigt mentalitätsgeschichtlich, wie die mittelalterliche Kirche zunehmend zur Machtinstanz wurde. =>

Wenn sich selbst Jesus unbarmherzig zeigt …

Symbolbild für AndachtenIst das nicht hart? Da kommt Jesu Familie zu ihm – und er weist sie brüsk zurück. „Draußen“ müssen sie bleiben. Anstatt Mutter und Brüder hereinzubitten, erklärt er die Menschen in dem Kreis um ihn herum zu seiner eigentlichen Familie. Fast klingt es, als verspottete er die Seinen. Warum nur diese Schroffheit? Ein Blick zurück macht die Situation verständlicher: Zehn Verse zuvor sind die Gründe gerannt: Mutter und Brüder „wollen ihn festhalten, denn sie sprachen: Er ist von Sinnen“ (Markus 3,21). Sie wollen Jesus schon so kurz nach dem Beginn seines unkonventionellen Wirkens wieder in ihre geordnete kleine Welt zurückbringen.  … =>

Schmerzhaft-poetische Tiefendimensionen

Helene Bracht: Das Lieben danach (Ausschnitt des Buchcovers)Es ist nur ein schmales Bändchen – und doch von großer Wucht. Nicht als Gute-Nacht-Lektüre zu verwenden – trotz der betörenden Blumenornamente des Covers. Sie machen es schwer vorstellbar, dass Helene Bracht in diesem Buch ihre Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch verarbeitet. Und gleichzeitig versöhnt die 70-Jährige sich darin mit sich selbst. Sie stellt sich der Begrenzung, die ihr Leben geprägt hat: Den Schwierigkeiten, Vertrauen zu schenken und eine dauerhafte Beziehung zu führen. Bracht verarbeitet darin nicht nur ihre frühen Jahre, sondern zieht Bilanz ihrer facettenreichen Biographie … =>