Zwiespältiger Aufbruch zur Einheit

Weltkirchenkonferenz 1925Hätten die Kirchen den Ersten Weltkrieg verhindern können, wenn sie nur frühzeitig gemeinsam ihre Stimme gegen Nationalismus und Militarismus erhoben hätten? Aber auch nach dem Ende der Kämpfe klafften die Wunden weiter – zwischen den Völkern ebenso wie zwischen ihren Kirchen. Die Gräben waren nicht nur politisch, sondern tief in die geistliche Landschaft Europas eingeschnitten. Einer, der sich dieser zerrissenen Welt nicht einfach beugte, war der schwedische Erzbischof Nathan Söderblom (1866–1931). Als Kirchenmann aus einem neutral gebliebenen Land war es ihm möglich, Brücken zu bauen. Trugen sie? =>

Vom Geier gelernt: Wie Gleichgültigkeit tötet

Chefredakteurin Susanne Borée, Februar 2024„Der Geier und das kleine Kind“: Lang ist es her, dass dies Bild um die Welt ging. Es zeigt ein ausgemergeltes Kind, zusammengesunken auf staubtrockener Erde. Wenige Schritte entfernt lauert ein Geier – bereit, sich auf das Leben zu stürzen, das kaum noch eines war. 1993 entstand das Bild im heutigen Südsudan. Der Fotograf Kevin Carter erhielt dafür den Pulitzer-Preis – und bittere Kritik. Warum hatte er nicht geholfen? Kurze Zeit später nahm sich Carter das Leben. Schon damals herrschte im Sudan eine tödliche Hungersnot, verursacht durch Bürgerkrieg und politisch kalkulierte Blockaden. Der damalige Diktator Hasan Ahmad al-Baschir verweigerte Hilfslieferungen – hunderttausende Menschen verhungerten. Der Geier musste nicht lange warten. Und das Kind auf dem Bild? =>

Hoffnungszeichen trotz aller Rückschläge?

Chefredakteurin Susanne Borée, Februar 2024Aus christlichen Werten entstanden Hoffnungszeichen: Vor 50 Jahren, am 1. August 1975, wurde in Helsinki ein Abkommen unterzeichnet, dessen Geist bis heute besteht. Und dies mit dem sehr technischen und nichtssagenden Titel „KSZE-Schlussakte“! Inmitten des Kalten Krieges einigten sich die Länder Europas und Nordamerikas östlich und westlich des Eisernen Vorhangs erstmals offiziell auf die Unverletzlichkeit von Grenzen, die friedliche Streitbeilegung und die Achtung der Menschenrechte. Ein klassisches diplomatisches Tauschgeschäft – dessen Geist eine unerwartete Sprengkraft erfuhr. =>

Filmreif verwickelt

Szenenfoto aus dem Stück "Abgedreht" des Fränkischen FreilandtheatersEin Stück im Stück – genauer: ein Film im Freilandtheater: Diese komplexe Erzählkonstruktion wagt das Freilandtheater mit seinem aktuellen Stück „Abgedreht“. Die Rahmenhandlung spielt im Jahr 1927 in einem mittelfränkischen Dorf, das um seine Zukunft bangt. Der Bürgermeister hat eine neuartige Idee: Ein Berliner Filmteam soll ein Historiendrama drehen – und zwar direkt in der Dorfidylle. Schließlich hat ein Dorfbursche begonnen, als Kameramann in der weiten Welt Karriere zu machen. Und welche Rolle spielt da ein dunkler und blinder Kapuzenmann?  =>

Madonna und Monster, Muse und Mächtige?

Madonna, um 1400, Mütterbilder im Kunstpalast DüsseldorfSelig betrachtet sie ihr Kind: Die gotische Madonnenfigur aus der Zeit um 1400 genauso wie die „Stillende Mutter“ von Paula Modersohn-Becker ein halbes Jahrtausend später. Zwar erschien letztere bei ihrer Entstehung fast schockierend entblößt, doch in ihrer inneren Ausrichtung auf ihr Baby übertrifft sie viele Madonnen. Und dies auch, obwohl ihr Kind den Blick von ihr und der Nahrungsquelle abgewendet hat und anscheinend geradewegs auf uns Betrachtende aus dem Bild herausschaut. Dies sind nur zwei von 120 Exponaten aus sechs Jahrhunderten, die die Ausstellung „Mama – von Maria bis Merkel“ im Düsseldorfer Kunstpalast zeigt. Ein drittes Werk spannt den Bogen weiter … =>

Witz als Mittel der Wahrheitssuche

Marc-Uwe Kling: Die Spurenfinder und das Drachenszepter (Buchcover)„Du meinst, das Zepter verleiht Macht, weil alle daran glauben, dass es Macht verleiht?“ So fragt die 13-jährige Ada ihren Vater Elos. Sie leben in einer magischen Welt, die in mittelalterlichen Strukturen erstarrt zu sein scheint. Auf den ersten Blick wirken „Die Spurenfinder und das Drachenzepter“ wie ein klassisches Fantasy-Abenteuer. Es ist für Jugendliche ab etwa zwölf Jahren gedacht. Gleichzeitig kommt es sprachlich leichtfüßig daher. Doch unter der spannenden Oberfläche und den pointierten Dialogen verbirgt sich mehr in dem neuen Werk, das Marc-Uwe Kling mit seinen Töchtern Johanna, Luise und Elisabeth geschrieben hat: Eine Auseinandersetzung über Themen wie Erinnerung, Wahrheit, Verantwortung und Generationswechsel – mit viel Tiefgang auch für Erwachsene. =>

Eine Nacht im Dazwischen – offen für eine „Weiße Nacht“

Chefredakteurin Susanne Borée, Februar 2024Eine ganz Nacht in einem Strandkorb zu verbringen – mutterseelenallein, nur das Firmament über mir! Und die Wellen nicht weit! Dazu hatte ich noch ein Geschenk an der Ostseeküste einzulösen. Denn es war keine „Challenge“, keine persönliche Herausforderung oder Selbstüberwindung, sondern durchaus eine gebuchte Übernachtung wie in einem Hotel. Dafür auch erstaunlich bequem, denn es war ein Liege-Strandkorb, in dem ich mich gut ausstrecken konnte. Ich saß im Dazwischen – zwischen Tag und Nacht, zwischen Öffentlichkeit und Rück­zug … =>

Bilder, die flüstern – und schreien

Bild Vodianas „Über jedes Haus, das nicht mehr existiert, das nicht mehr repariert werden kann“ in der Ausstellung des Caritas-Pirckheimer-Hauses. Foto: BoréeEs ist das vielleicht stillste und zugleich eindrücklichste Bild (oben links) der Ausstellung: Häuser schweben in den Himmel, sitzen auf Wolken wie aus einem Kindermärchen. Sie tragen Heiligenscheine. Auf den ersten Blick wirkt das Gemälde fast naiv. Doch dann fällt der Blick auf die Einschusslöcher. Auf die Risse, die sich wie auf einer zersprungenen Glasscheibe über das Bild ziehen. Ein Haus ist getroffen, verwundet, gebrochen. Was bleibt, ist Erinnerung. „Dieses Bild zeigt nicht nur zerstörte Häuser“, erklärt die ukrainische Künstlerin und Kinderbuch-Illustratorin Kateryna Vodiana (VoKa). „Es zeigt die Stille nach der Explosion. Risse, die nicht mehr zu reparieren sind. Ein Zuhause, dem Wärme und Stimmen geraubt wurden.“ =>

Raum für Resonanz: Langeweile ohne Leere

Die Weite und Ödnis der Wüste bietet beim aufmerksamen Betrachten neue Einblicke – auch biblisch!Foto: pixabay„Sind wir bald da?“ – Die Frage aus dem Kindermund auf der Rückbank eines Autos ist ebenso klassisch wie tiefgründig. Denn sie offenbart mehr als nur Ungeduld: Sie bringt das Gefühl einer inneren Leere, einer diffusen Unruhe zum Ausdruck. Dahinter steckt eine Sehnsucht nach Orientierung, die Hoffnung auf eine schnelle Ankunft an einem Ziel. Die Zeit dehnt sich scheinbar unendlich, der Sinn fehlt, nichts scheint von Bedeutung. Langeweile, das ist eine Mischung von lähmender Müdigkeit und Überdruss. Unsere Überflussgesellschaft erfährt darin den Mangel – nicht an Dingen, sondern an Bedeutung. Ist Langeweile also ein aktuelles Luxusproblem? Oder ist sie ein uraltes Phänomen, das sich nur in moderner Verpackung zeigt? =>

Kann es eine aktuelle Botschaft des Konzils geben?

Chefredakteurin Susanne Borée, Februar 2024Wozu braucht man es heute noch? Ist das Nachdenken über das Konzil von Nizäa, das offenbar in grauer Vorzeit stattfand, nicht völlig aus der Zeit gefallen? Zumal sich die Teilnehmer damals über ein solch abstraktes Thema wie die genauen Beziehungen innerhalb der Trinität und das Verhältnis zwischen Jesus und Gottvater beinahe die Köpfe einschlugen. Kann ein solches Thema auch nur einen Menschen heutzutage dazu bringen, deswegen wieder in die Kirche einzutreten oder ihr – umso besser – erst gar nicht erst den Rücken zuzukehren? Eher scheint es wahrscheinlich, dass ein vertieftes Nachdenken über solche abstrakten Fragen dazu führen könnte, Menschen aus der Kirche zu treiben. =>