Sollen wir als Christen Waffenlieferungen für die Ukraine bejahen, da sich viele biblischen Stellen für die Unterstützung der Opfer aussprechen? Oder sind wir zur absoluten Gewaltlosigkeit aufgerufen? Was genau sagt die Bibel dazu? Ihre Worte sieht der Theologe und Sozialpädagoge Gerard Minnaard nicht als eine Sammlung von „Handlungsanweisungen“, sondern als „Gesprächsraum“ für „ein geschwisterliches Zusammenleben“. Er ist Geschäftsführer des biblisch-politischen Bildungszentrums der Woltersburger Mühle bei Uelzen. Und er ist einer der Herausgeber des Sammelbandes zur aktuellen Friedensarbeit. Viele Beiträge darin sind aus Tagungen dort entstanden. Lässt sich gleichzeitig Frieden und Gerechtigkeit verwirklichen? =>
Der Allmächtige auch als Hirte und Gärtner
Mit einem gewaltigen Hymnus beginnt der Zweite Jesaja seinen Text: „Tröstet, tröstet mein Volk (Jesaja 40, 1), so hebt er an. Schließlich hat der Herr gerade erst den allmächtigen Perserkönig Kyros zu seinem Werkzeug gemacht: Um 539 vor Christus besiegte er die Babylonier. Die Verbannten aus Israel konnten zurückkehren. Grund genug für einen Ruck, der durch das Volk ging? Weit gefehlt: Es gab zu wenig Rückkehrwillige, der Wiederaufbau dümpelte dahin. Da wollte der Verfasser dieser Kapitel Gegenakzente setzen. Eine biblische-politische Bildung in der Woltersburger Mühle bei Uelzen in der Lüneburger Heide beschäftigte sich in der Woche nach Ostern mit dieser Geschichte über einen Neubeginn gegen alle Hoffnungslosigkeit: Unter deportierten und von Gewalt traumatisierten Menschen wachsen Trostbilder. Diese Texte über Gottes Handeln, über Berufung und Stellvertretung haben die biblische Überlieferung geprägt. In intensiven Diskussionsrunden schlossen sich die Teilnehmenden diese Motive für sich neu auf. =>
Schmähliches Sterben und erfüllter Tod
Eine Todsünde beging ein verzweifelter König Saul: In aussichtsloser Lage beim Kampf gegen die Philister und nach dem Tode Samuels suchte er die Totenbeschwörerin in En-Dor auf (1. Samuel 28). Und dies, obwohl er selbst diese aus Israel vertrieben hatte. Trotzdem kannte seine Gefolgschaft solch eine weise Frau – in anderen Übersetzungen auch als Hexe bezeichnet – die der König heimlich aufsuchte (28, 7 f.). Spannend für uns: Welche Vorstellungen über Tote und die Unterwelt zeigen sich da in einem der älteren Teilen des Ersten Bibelteils? =>
„Achsenzeit“ drehte religiöse Ideen
„Der Ursprung der Religion“ – einfach mal so erklärbar? Nein, schnell bestimmt nicht. Robert N. Bellah benötigt dafür in seinem gleichnamigen Buch rund 900 Seiten. Das erste Fünftel besteht aus einer intensiven Einleitung. Wörtlich geht der amerikanische Soziologe († 2013) zum Urknall zurück. Der Mensch ist in seinem Werk eingebunden in die Entwicklung des gesamten Lebens. Ein Durchlauf durch die Evolution und tierische Verhaltensformen folgt: Spiel und Ritual ähneln sich dabei in ihrer Ausrichtung und ihrer entlastenden Funktion. Bellah interessiert sich da besonders für die normative Prägung der Gesellschaft. Dies geschieht nun durch eine religiöse, aber übergreifende und identitäts- stiftende Überzeugung. Sie wird durch gemeinsame Symbole und Riten gestärkt. Dann aber geschah der Umbruch … =>
Zwiebeln statt Zimt, Kümmel statt Nelken
Nach Zimt und Nelken schmeckte sie eher nicht – die alte Küche von Bethlehem und überhaupt im Heiligen Land zu biblischen Zeiten. Eher nach Koriander und Kümmel. Die südliche Levante – also Israel und Juda – übernahm viele der feinen und meist ebenso gesunden Spezereien aus dem Alten Ägypten. Diese Hochkultur schuf vorzeiten viele geschmacklichen Grundlagen der morgenländischen Küche. Was uns als typisch orientalisch erscheint und sich etwa im Nürnberger Laden „Gewürze der Welt“ dazu findet, gab es schon im Alten Testament. =>
Abgrenzung und Austausch
Formte das Babylonische Exil den Glauben des Alten Testamentes im einmaligen Maße? Die Priesterschrift war in Teilen bereits im Babylonischen Exil entstanden, so Konrad Schmid zur „Entstehung der Bibel“. Später verarbeiteten die Gelehrten sie in vielen Teilen der fünf Bücher Mose. Etwa im ersten Schöpfungsbericht und in der Sintflut-Erzählung setzte sie sich intensiv mit der babylonischen Geisteswelt auseinander. Nach der Eroberung Babylons erlaubten die Perser eine Rückkehr der jüdischen Verschleppten – ja sogar der Tempel in Jerusalem konnte wieder neu errichtet werden. Ist ein Überblick zur Entstehung der Bibel mehr als eine akademische Diskussion über eine längst vergangene Zeit? Was bleibt da für das Heute? =>
Verwurzelt im Leiden
Erzählt das Richterbuch gar nicht Geschichten aus der Zeit von David und Salomo, sondern Widerstandsgeschichten nach der Eroberung Israels durch die Assyrer Jahrhunderte später? Der Alttestamentler Konrad Schmid sieht dies gerade in den Kapiteln 3 bis 9 gegeben. Dieser „Kern“ des Richterbuches ist für ihn geografisch im Nordreich verortet. Er besteht für ihn aus einer „Sammlung von Rettererzählungen aus der Assyrerzeit“ – nach 722 vor Christus. Da tragen „die Völker, die der Herr übrig ließ, damit er durch sie Israel prüfte“ (Richter 3,1), natürlich maskierte Namen. Auf Abfall Israels erfolgt die Strafe durch Eroberung – bis die Richter und Richterinnen von Deborah bis Gideon das Volk wieder zurückführen und befreien. … =>