Zwei betagte Herren befinden sich im angeregten Gespräch miteinander. Die Welt um sich herum scheinen sie völlig vergessen zu haben. Es könnte eine Alltagsszene sein – wenn diese beiden Männer nicht unschwer an ihrer Kleidung als orthodoxe Juden zu erkennen wären. Und mindestens die Kleidung des sitzenden Mannes deutlich abgewetzt zu sein scheint. Unter diesem Titelbild brachte der „Spiegel Geschichte 4/2019“ sein Heft „Jüdisches Leben in Deutschland“ heraus. Und Natan Sznaider beginnt sein aktuelles Buch „Die jüdische Wunde“ mit einer intensiven Besprechung dieses Bildes. Denn diese Szene mag „in Deutschland“ stattgefunden haben, doch ist sie wirklich repräsentativ für „Jüdisches Leben“ hierzulande – und für „Die unbekannte Welt nebenan“ (so der Untertitel des Spiegel-Heftes)? … =>
Geschärfte Argumente gegen Antisemitismus
Ist das Phänomen nicht selbsterklärend? Diese Frage stellte Jan Philipp Reemtsma fast etwas provozierend an den Beginn seines Vortrags über die „Grundmechanismen des Antisemitismus“. Welche neuen Argumente brachte der Vortrag nun? Wer sich mit dieser „konstantesten Ideologie des Abendlandes“ (Reemtsma) schon einmal beschäftigt hat, erfuhr wenig historisch Neues. Eine neue Erklärung wollte er nicht bieten, so Reemtsma. Er brachte die Argumente aber auf den Punkt, wo sonst Sprachlosigkeit zurückbleibt. … =>
Bauernkrieg als Baby des Buchdrucks
Es braute sich schon länger etwas zusammen: Heilsverlangen und Höllenangst, neuartige Krankheiten und vielfältige Krisen einer Umbruchszeit, Naturkatastrophen und himmlische Wunderzeichen führten vor 500 Jahren dazu, dass die Unterdrückten gegenüber der herrschenden Ungerechtigkeit aufbegehrten. In seinem aktuellen Werk „Der Bauernkrieg. Ein Medienereignis“ stellt der Kirchenhistoriker ein umfassendes Bild der Umbrüche 1524/25 dar. Prophetische Warnungen vor diesem besonderen Unheilsjahr reichten teils eine ganze Generation zurück: Da nennt Kaufmann eine 1488 erschienene „Prognosticatio“ des Astrologen Johannes Lichtenberger: Orakel weisen für diesen auf kommendes Unheil hin – bevor sich Martin Luther überhaupt 1490 in die Mansfelder Lateinschule begab. … =>
„Ihr schafft es, denn ich habe es geschafft“
Zehn Kilometer lang war ihr Schulweg – einfache Strecke zu Fuß. Doch nicht die Entfernung setzte Naomi Kirsten-Hurtig zu, sondern die Gefahren unterwegs. Denn unterwegs musste die gebürtige Kenianerin zusammen mit weiteren Kindern auf einen schmalen Steg einen reißenden Fluss überqueren. Unten lauerten die Krokodile. Ein Mitschüler verlor das Gleichgewicht …
Das soll keinem Kind mehr passieren. So setzt sich Naomi Kirsten-Hurtig heute von Burgbernheim aus für ihre Heimatregion Tigithi knapp 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Nairobi im kenianischen Busch ein. Im September ehrte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sie mit einer Einladung zu einem feierlichen Empfang im Schloss Bellevue. Damit würdigte er ihre unermüdliche Arbeit. Dort begegnete Naomi Kirsten-Hurtig auch dem Präsidenten Kenias … =>
Prickelnde Wahl
Prickelnd fällt es mir entgegen: Das Tütchen mit Brausepulver, das sich in meinem Gemeindebrief versteckte. „Stimm für die Kirche“, gehe zur Kirchenvorstandswahl, das ist seine Botschaft – eine kleine Erfrischung statt großer Worte. Es durchdringt das Wasser und gibt ihm erfrischenden Geschmack. Ebenso bringen die Kandidierenden ganz unterschiedliche Gaben sowie erfrischende Ideen und Impulse in die Arbeit der Kirchengemeinden mit. Ihre Erfahrungen wirken zusammen. Wie das Brausepulver erst im Wasser Geschmack gewinnt, so können die Engagierten im Zusammenspiel miteinander ihre Kräfte entfalten. =>
Renovierte Religion – gelingt Erneuerung?
Als „Gefangene unseres Besitzes“ – so umreißt Erzbischof Urmas Viilma die Lage der Estnischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (EELK). Auf Englisch klingt es poetischer: „prisoners of our propriety“. Denn in dieser Sprache fand dies Gespräch im Tallinner Konsistorium statt. Doch prosaisch ist der Alltag: Weit verstreut liegen die evangelischen Gotteshäuser in vielen kleinen Dörfern und Weilern auf dem Land. Die Kirchen könne man nicht verkaufen – wer will sie schon haben? Sie müssen aber erhalten werden. Schließlich darf ein loser Dachziegel niemanden erschlagen. =>
Die Dankbarkeit des Eichhörnchens: Ihre Leichtigkeit als „Reichtum in Gott“
Ganz unter uns: Ich neige zunehmend zur Vorratshaltung – offenbar eine Spätfolge der Corona-Krise. Damals fing es an: Kaum war mit dem Beginn des Ukraine-Krieges die Pandemie abgeschafft, entdeckte ich tatsächlich in einer dunklen Ecke des Dachbodens noch ein eingeschweißtes Zehnerpack an Toilettenpapier! Die Inflation hat die Symptome verstärkt: So billig wie jetzt, bekommst du den Kaffee nicht mehr – und auch nicht die Reinigungsmittel! Diese Zeiten weckten das Eichhörnchen in mir. Doch das Haltbarkeitsdatum auf Dosen wird manchmal zur spannenden Lektüre: Wann müssen Fertiggerichte vertilgt sein? Gut, sie gehen nicht unbedingt an dem Tag über, der auf ihren Deckel gedruckt ist (Haftung aber ausgeschlossen!). Doch gilt es, den Überblick zu behalten! =>
Letzte Chancen gegen Ausweglosigkeit
Sollten sie nicht bis zuletzt bei Ihren Gemeinden bleiben, um ihnen die nötige Unterstützung zu geben? Während der Nazi-Zeit standen gerade die Rabbiner in Deutschland vor einer existentiellen Entscheidung. Denn auf sie wurde gleichzeitig in vielen Fällen der meiste Druck ausgeübt – schließlich galten sie für die Nazis als Repräsentanten der jüdischen Gemeinden. In der Progromnacht im November 1938 brannten nicht nur die Synagogen, sondern ihre Rabbiner wurden gezielt eingekerkert – sie kamen oft nur dann frei, wenn sie sich verpflichteten, sofort zu verschwinden. =>
„Die Kirche wird nicht untergehen“
„Die Ängste und Sehnsüchte der Menschen ernst zu nehmen, da sind wir als Kirchen gefragt“, erklärt Gisela Bornowski. Der Regionalbischöfin im Kirchenkreis Ansbach-Würzburg liegt es besonders am Herzen, als Kirche nahe bei den Menschen zu sein. Und gerade deren Sorgen und Ängste vermehren sich in den vergangenen Monaten und Jahren deutlich – und finden im Extremfall ein Ventil in Hass und Hetze. Da braucht es längst keinen Blick mehr auf die aktuellen Wahlen im Osten des Landes. Wie lässt sich so eine christliche Zuversicht weitertragen? =>
Facettenreiches Estland erfahren
Welche ist denn meine Lieblingssprache? Im Estnischen Nationalmuseum in Tartu stand ich mit einem Mal vor dieser Frage. Dabei wollte ich auf meiner Tour durch Estland nur eine Eintrittskarte lösen! Mit einem Handgriff überwand die Ticketverkäuferin sämtliche babylonischen Sprachverwirrungen. Sie konnte auf der Eintrittskarte schier alle möglichen Sprachen freischalten: Ich musste nur den Code an die Erklärungstafeln halten, die längst nicht mehr aus Pappe oder Messing waren, sondern digital. Sofort war meine persönliche Übersetzung. „Englisch“, murmelte ich schüchtern. „Oder haben Sie auch Deutsch?“ „Was nun?“ Schließlich ist es einfach unmöglich, irgendetwas auf Estnisch zu verstehen. =>